Fasching erklärt
Leb wohl, oh Fleisch, willkommen Karamell!
In den letzten Februartagen wird sie wieder über uns kommen: die fünfte Jahreszeit. Auf den Straßen sieht man Menschen, die sich mehr oder weniger genussvoll dem Spiel mit Rollen und Verkleidungen hingeben, die für einen oder mehrere Tage jemand anders sein wollen, trinken, rufen, Bonbons essen, schreien, tanzen und Fremden an den Hintern fassen. In großen Hallen und im Fernsehen holen verkleidete Komödianten auf allen Kanälen das letzte Jahr in Spöttereien zurück, und das, was traditionell eine Winteraustreibung war, wird zu einer Abrechnung mit regionaler und Bundespolitik, mit ortsbekannte Größen und Gesetzen. Zuckerbrot gibt es nur für die Mitlachenden, die Gegner - wie es im 19. Jahrhundert in Mainz etwa die französischen Besatzer waren - und dankbare Opfer der Fastnacht, sind die Politiker, und - man ahnt es schon - in diesem Jahr vermutlich Banker und Spekulanten.
So regnet es Süßes, für alle, die auf der richtigen Seite stehen, während der Feind als großer, handgefertigter Kopf auf säuberlich ausgearbeiteten Wagen mitfährt wie an einem Pranger. Und doch ist der eigene Kopf auf solch einem Wagen nicht nur ein Zeichen des Spotts. Wer es auf den Zug schaffen will, der muss Charakter haben, mindestens ein zur Karikatur taugliches Gesicht. Prinz und Prinzessin nicken wohlwollend als Herrscher über den Trubel und kaufen sich eine hübsche Bratwurst. Dreifach donnerndes Helau! Alaaf!

Geschichte des Fasching
Seit den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts verbreitet sich Fasching konfettiartig in ganz Deutschland. Wo es früher vor allem die Hochburgen Köln und Mainz waren, die um das Vorrecht als Hauptstadt der fünften Jahreszeit kämpften, und sich gegenseitig mit immer größeren Zügen mit immer mehr Teilnehmern und immer besserem Wetter überboten, wurde Karneval oder Fasching plötzlich auch in anderen Gegenden ein Thema. So begannen beispielsweise die ohnehin feierfreudigen Berliner mit der Austragung des Karnevals, und setzten diesen schließlich das ganze Jahr unter verschiedenen Themenüberschriften fort.
Die Geschichte der Fastnacht, des Faschings, des Karneval, ist weitaus komplexer, als es das orgiastische Treiben in den Straßen manchmal vermuten lässt. So zeigt schon der Kampf um die Vormachtstellung als wichtigster Austragungsort der fünften Jahreszeit, wie eng die närrischen Tage mit dem Ort verbunden sind, an dem sie stattfinden. Der Karneval in Köln etwa bezieht seinen Namen vermutlich aus dem „Abschied vom Fleisch“, der die Fastenzeit einläutete. Die Mainzer Fastnacht hingegen dürfte ihren Höhepunkt vor allem in der Besatzungszeit durch die Franzosen und in deren genussvoller Verhöhnung gehabt haben.
Allen gemein ist ihr Ursprung als katholische Tradition, die schon im 12. Jahrhundert als „Narrenfest“ und später als „Staat des Teufels“ praktiziert wurde, und dazu diente, die Fastenzeit vorzubereiten und mit einem rauschenden Fest zu beginnen, um sich dann in der darauf folgenden Zeit durch das Fasten von den eigenen Sünden zu reinigen. Mit der Reformation und der Abschaffung der Fastenzeit verschwand aus vielen Gegenden der Brauch, und ist darum heute vor allem in katholischen Gegenden vertreten.

Faschingsbeginn
Allen gemein ist auch Dauer und Zeitraum. Die Einleitung des Fasching am 11.11. ist irreführend und wurde so benannt, da das traditionelle Gansessen und Aufzehren von Fleischvorräten den Ritualen der Fastnacht glich. Im 19. Jahrhundert wurde der 11.11. im Zuge einer Professionalisierung der Fastenzeit als Starttermin der Vorbereitungen und somit als Beginn der Fastnacht festgelegt. Traditionell beginnt die Fastnacht aber mit dem Dreikönigstag und endet am Aschermittwoch (in einigen Gegenden mit der Verbrennung des vermeintlichen Verursachers, dem Nubbel) - wobei der Kater bei einigen sicher noch über die Festtage hinaus andauern dürfte. Die traditionellen großen Umzüge finden am Rosenmontag statt. Wer sich jetzt nicht verkleidet und ordentlich zu jedem Tusch sein Helau oder Alaaf ruft, kriegt keine „Kamelle“!
